Wir fahren los! Endlich!

Mir per­sön­lich ist es ja nicht ganz so wichtig, wohin wir fahren, Haupt­sache wir fahren.

Als wir gestern aufge­brochen sind, hat sie mir schon gesagt, dass wir „dien­stlich­es“ zu erledi­gen haben. Ein Him­mel muss her, meint sie, als ob da nicht genü­gend Him­mel über uns wäre. Zum Fet­zen­müller in Bruck und was besorgt sie, einen Him­mel wie aus ein­er dün­nen Nebelschicht, nicht blau nicht weiß, ein zartes hell­grau, aber ich müsste noch warten, meinte sie, bis sie in mir anziehen wird. Und im Kün­stlerbe­darf will sie auch noch vor­beis­chauen, eine Jause wäre auch nicht schlecht, sagt sie.

Haupt­sache wir fahren. Und sie staunt. Wir sind noch immer zu schnell unter­wegs, wirft sie ein. Viel zu viele Dinge wür­den wir noch links liegen lassen.

Der Föhn ist angesichts der Jahreszeit nur für Mete­o­rolo­gen warm, aber der Sturm passt zum Herb­st. Manch­mal rüt­telt er auch an mir. Die Bäume in ihren vie­len Far­ben lassen sich zum Tanz ein­laden. Sil­bern glänzen die Blät­ter der Pap­peln und streck­en ihre Äste hin­auf und stre­icheln den hell­blauen Him­mel zart. Manch­mal sieht es so aus, als ob sie die Wolken zeich­nen und die lan­gen Fäden ziehen. Hin und wieder mis­chen sich rote Blät­ter in den Sil­ber­haufen hinein. Aber es sind auch orange, gelbe und immer noch viele grüne zwis­chen­durch dabei, die nicht aufgeben wollen, das Jahr zu ver­längern. Alle tanzen zum Lied des Winds. Irgend­wie wäre es schön, mit ihnen tanzen zu kön­nen. Die Arme nach oben gerichtet, der Melodie des Sturms folgen.

Noch sind wir auf der Auto­bahn, der Tow­er des Flughafens links und rechts eine ganz andere Welt: Alt­wass­er der Donau, die passend zu den Bäu­men sil­bern glänzen. Die Flieger haben immer so viel Aufmerk­samkeit auf sich gezo­gen, dass sie, die Au, noch bevor ich in ihr Leben kam, nicht wirk­lich wahrgenom­men hat. Aber nun sitzt sie höher und sieht mehr und plöt­zlich ist die Welt eine andere. Als sie Tage später nach­sieht, stellt sie fest, dass sie tat­säch­lich einen Teil des Nation­al­parks Donau-Auen gese­hen hatte._mg_1114

Endlich geht es rauf ins Wein­vier­tel. Wir leg­en eine Pause ein und schauen zu, wie Stare vom Wind getrieben in Kreisen über ein Feld wirbeln. Anfangs ist uns nur ihr rhyth­mis­che Auf und Ab aufge­fall­en, sie set­zen sich und lassen sich dann vom Wind wieder hin­auftreiben, hun­dert, zwei­hun­dert, viel zu viele, um sie zu zählen. Ein Vogel­bal­let. Etwas erin­nert an die riesi­gen Fis­chschwärme, die durch ihre Kreise riesige Türme im Wass­er bilden. Aber die Stare sind flex­i­bler, ihre Flug­bah­nen bilden Wellen, an ein­er Stelle klein, an der näch­sten brausen sie wieder groß auf, set­zen sich wieder, warten auf die näch­ste Böe, um das Spiel von Neuem zu begin­nen. Erst später sehen wir, dass sie ihr Spiel mit einem Bauern treiben, der seine Furchen mit dem Trak­tor in den Ack­er zieht. Damit ihm das Pflü­gen der ger­aden Bah­nen nicht lang­weilig wird, spie­len sie mit ihm._mg_0918-cr2

Wir fahren an braune Bergen vor­bei. Zuck­er­rüben tür­men sich. Die Ernte ver­rät, wie wichtig den Men­schen das süße Leben gewor­den ist. Ein ganz­er Zug, fünf/sechs Wag­ons, ist bis oben hin gefüllt und am Platz davor liegen noch etliche Rüben wie Steine wirr herum.

Die Lady vom Nav­i­ga­tion­ssys­tem ist inzwis­chen völ­lig ver­wirrt. Kreisverkehre von denen sie nichts weiß, Umleitun­gen, die es notwendig machen ihren Anweisun­gen nicht zu fol­gen, die kleinen Hin­weiss­childe ver­wirren aber auch meine Fahrerin, wir kreisen verzweifelt zwis­chen ihren Anweisun­gen und unseren Bemühun­gen den Weg nach Asparn an der Zaya zu find­en. Als wir endlich dort ange­langt sind, find­en wir alle, dass wir lieber mor­gen ins Muse­um schauen. Land­luft schnup­pern und vor allem ein Plätzchen für die Nacht find­en. Wir fahren. Und ver­wun­dert mit­ten im Nichts Hin­weiss­childe für einen Park­platz zu find­en, fahren wir einen Hügel rauf. Wo wir gelandet sind, wird euch Ruth selb­st verraten.

Inzwis­chen jam­mert sie ein wenig herum. Alles ist abso­lut neu. Nichts Rou­tine, über­all holpert es. Kühlbox neu, Herd neu, Bett noch unberührt. Sie bewegt sich ziem­lich hil­f­los in meinen Eingewei­den herum, dabei hat sie gar nicht so viel zur Auswahl, ein­mal vor und zurück. Aber sie weiß noch nicht, wann es gün­stig ist, unter Bänke zu schauen, was sie wo wann her­ausholt oder hin­räumt, damit es richtig gemütlich wird. Ich selb­st ver­ste­he allerd­ings nicht, was es da zu jam­mern gibt.

Die erste Nacht begin­nt viel früher als geplant, denn ihr wurde zwar ver­rat­en, dass das Licht nach 45 Minuten aus­ge­ht, es sich aber nicht ein­fach durch Ein- und wieder Öff­nen ein­schal­ten läßt, Türe auf, aber es braucht noch einen Tag, bis sie es ver­ste­ht. In der Zwis­chen­zeit ist sie froh, das winzige Lichtlein eingepackt zu haben, um nicht dauern mit meinen Schlössern Tür auf zu spie­len. Bald schläft sie ein, müde von den vie­len Aben­teuern, die sie mit mir erlebt hat.

Sie ist schon ein wenig ver­rückt, in der Nacht wachte sie auf, weil sie von einem Witz träumte, über den sie so lachen musste, dass sie sich ihn unbe­d­ingt merken wollte. Sie wacht son­st nie auf, Träume sind Schäume, sagt sie. Und weg war er, so schnell kon­nte sie gar nicht aufwachen. Sie wollte ihn mir so gerne erzählen. Irgen­dein Apos­tel hat ihn ihr erzählt. Was gut zu der Umge­bung passt, wo wir die Nacht ver­bracht haben. _mg_0985-cr2

Am Mor­gen ste­ht sie auf, um der Sonne beim Erwachen zuzuse­hen, kocht ihren ersten Kaf­fee, hil­ft mir bei den ersten Noti­zen, bevor wir ins Muse­um aufbrechen.

Bonjour! Je suis Jules!

Darf ich mich vorstellen? Nun, ich bin Fran­zose und heiße Jules Traf­ic. Ich bin ger­ade nach Eisen­stadt gezo­gen und meine neue Part­ner­in hat mich ein­ge­laden, auf ihrem Blog zu schreiben.

Das hat noch NIE jemand getan.
Ich bin sprachlos.
Wo soll ich nur beginnen?

Jules werde ich gerufen — nach Jules Verne.
Denn Reisen ist auch meine Lei­den­schaft, auch wenn es nicht zum Mit­telpunkt der Erde geht und ich auch nicht in 80 Tagen um die Welt will und mir den Mond gern von unten anse­he. Oscar Wern­er spielte einst den Jules als Öster­re­ich­er in “Jules und Jim”, aber ich bin noch keinem einzi­gen Jules in Öster­re­ich begeg­net. Selb­st Julius heißt kaum ein­er. Sie flüstert mir ger­ade zu, dass ihr Wellen­sit­tich Julius hieß. Naja, dann gab es halt schon einen Julius, aber der hat­te aus­tralis­che Wurzeln. Traf­ic heißen schon viel mehr, denn das ist unser Fam­i­li­en­name aus dem Clan der Renault.

Ich bin nicht mehr der Jüng­ste, aber meine let­zten Kumpels haben gut auf mich geschaut. Sie mein­ten, die inneren Werte sind es, die zählen. Und so ließen sie nichts unver­sucht, die meinen zu schmieren.

emily + palomaUnd sie liebten mich. Aber es wurde eng, seit Palo­ma in die Fam­i­lie kam. Dass die Men­schen nicht aus­re­ichend Platz hat­ten, ist nur ein Gerücht. Die 2 Ladies, Emi­ly und Palo­ma, wollen mehr Spiel­raum. Das haben sie gut insze­niert. Sie kön­nen sehr unschuldig schauen.

Es war ein schw­er­er Abschied. Der Chef stöh­nte auf, als er sah, dass mein Haupt­wohn­sitz nun das Bur­gen­land ist. Ich wiederum kon­nte nicht laut genug schreien: “Ich bin Fran­zose, was immer kom­men wird!” er hat­te sich tat­säch­lich einge­bildet, ich wäre ein Niederöster­re­ich­er gewesen.

Aber er war ein Super­typ, er hat sich voll reinge­wor­fen und hat das Beste aus mir raus­holen wollen.

Die Chefin lei­det auch sehr. Sie fuhr so gern mit mir und ich machte es ihr leicht, sie hat ja noch einen anderen Fran­zosen zuhause, also ein Faible für uns. Zumin­d­est solange wir 4 Räder haben. Den anderen hat sie schon 25 Jahre, dem hat sie sog­ar ein neues Kleid ange­zo­gen: Gelb, wie es sich für eine Ente gehört.

Es war der Abschied war nicht leicht und ich darf sie hin und wieder besuchen, das lässt den Luft­druck in meinen Reifen wieder sinken.

077_159452405-002Nun meine neue Fre­undin sagte mir, dass sie sich mit Motoren und deren Geheimnis­sen nicht so ausken­nt, und dass sie froh ist, dass die inneren Werte unter der Motorhaube so mit Bedacht behan­delt wur­den. Sie meint, dass sie sich nun den inneren Werten im hin­teren Teil von mir wid­men will.

So sieht es derzeit aus. Ist ja nicht übel, oder?

Ich bin ja froh, dass sie mir nichts wirk­lich gefährlich­es antut. Der erste Camper, mit dem sie unter­wegs war, sah näm­lich ganz anders aus.

Den lernte sie in Aus­tralien ken­nen. Ohne diesen Cousin wäre sie nie auf den Geschmack gekom­men, auch in Europa auf Aben­teuer­reise zu gehen. Ja, sie träumt tat­säch­lich von Aben­teuern.  Es wird für uns bei­de eine Ver­jün­gungskur sein.

camper

Denn der Sinn meines Lebens sind mehr die bewe­gen­den Werte sind, deshalb wer­den wir schon bald gemein­sam Mini-Reisen unternehmen.

Auch wenn wir ger­ade in die kalte Jahreszeit wech­seln, kann ich nur sagen: Wet­ter ist über­be­w­ertet und außer­dem gibt es kein schlecht­es Wet­ter, nur falsche Klei­dung! Win­ter­schuhe habe ich gestern ange­zo­gen bekom­men, selb­st gewuchtet haben sie meine Patschen. Als ob ich das nötig hätte, ich ste­he doch schon längst auf eige­nen Füßen.

p1010919-001Aber wenn die Men­schen meinen, ich stre­ite nicht mit ihnen, ich bin ein geduldiger Kerl, vielle­icht spiele ich eine Runde Boule oder trink ein Gläschen Bor­deaux. Vor­erst bin ich glück­lich, dass ich einen vollen Bauch habe. Sie hat mich bis oben hin gefüllt.

Ja, es ist Win­ter. Ja, es klingt verrückt.

Aber ich habe ja eine Stand­heizung, ich bin gar nicht cool. Obwohl ich eine tolle Son­nen­brille trage, oder ist das doch nur meine Windschutzscheibe?

Bon tour! Bis zum näch­sten Mal!