All-Eins-Sein

All-Eins-Sein macht mich ver­let­zlich oder sollte ich bess­er sagen, ich lege die Rüs­tung ab und spüre deshalb mehr?

So sehr ich es liebe allein unter­wegs zu sein, so sehr schmerzt es auch , mich von der
nor­malen Welt, mich dem nor­malen Umgang der Men­schen zu entfernen.

Es ist auch die Zeit, sich selb­st zu beobacht­en, auch wenn ich nicht alles ver­ste­he. Es ist eine gewisse Unruhe, Ner­vosität in mir, ein Acht­sam sein, als ob etwas passieren kön­nte. Vielle­icht so wie vor 20.000 Jahren die Men­schen immer acht­sam sein mussten. Warum diese Unruhe da ist, kann ich nicht sagen, ich kann sie nur beobachten.

Doch wenn ein Vater, der vor mir in die Höh­le geht und ich den Abschluss unser­er kleinen Gruppe bilde, sich umdreht und schaut, ob ich da bin und alles in Ord­nung ist, berührt es mich. Bin ich es so wenig gewöh­nt, dass man auf mich Rück­sicht nimmt? Wenn ich beobachte, wie san­ft die Eltern mit ihren herum­to­ben­den kleinen Mäd­chen umge­hen, huscht ein Lächeln über meinen Mund. Das sind Momente, die ich genieße. Und selb­st die ruhige Art der Fran­zosen Auto zu fahren, lässt mein Herz tanzen. Sie lassen sich Zeit, nie über­holte jemand unbe­dacht, nie fühlte ich mich gehet­zt, in Gegen­satz zu Öster­re­ich, wo ich es gewöh­nt bin, wenn ich auf Land­straßen unter­wegs bin, gejagt zu wer­den. Alle haben es da eilig. Nur wo wollen sie hin?

Was ist die Ursache, rau miteinan­der umzuge­hen? Ich habe dann immer Angst, dass ich eben­so reagiere. Und das ist das andere beim Allein­sein, man hat viel Zeit nachzu­denken. Reflek­tieren, wie ich etwas gemacht habe, warum ich etwas gemacht habe, aber auch darüber wie manch­es auf mein Gegenüber wirkt. Eine san­fte Berührung wird dann zum aggres­siv­en Über­griff. Eine wieder­holte Bitte wird zum auf­dringlichen Aushorchen. Ich werde trau­rig darüber, dass es sel­ten vorkam, dass wir uns darüber tat­säch­lich ver­ständigten, da wird dann über den Aus­lös­er gesprochen, aber nicht über die Ursache und den Hin­ter­grund. Im Gegen­teil, es wurde inter­pretiert und nicht kommuniziert.

Zynisch, spöt­tisch, arro­gant, über­he­blich und auch mal aggres­siv sind die Reak­tio­nen. Und es kam vor, dass ich auch so wurde. Keine Eigen­schaften, die ich haben möchte. Und ich bin nicht stolz darauf.

Dies berührt mich ganz beson­ders, nach­dem ich so viel über die ersten Men­schen gele­sen und gehört und gese­hen habe, dass es die Fähigkeit die Sprache zur Kom­mu­nika­tion einzuset­zen, uns zu Men­schen machte. Nicht das Werkzeug, nicht der aufrechte Gang, nicht das Feuer, es war die Sprache. Und dann ste­he ich da und muss erken­nen, wie sprach­los wir so oft sind.
Und ich weiß, wovon ich spreche, ich selb­st war solange sprach­los. Umso ver­wirrter war und bin ich, als ich mich bemühte, diesen Fehler nicht mehr zu wieder­holen, und ich mit Schweigen kon­fron­tiert wurde. Erstaunt stellte ich fest, dass ich nicht allein war mit mein­er Unfähigkeit zu reden. Aber ich wurde auch mit Sarkas­mus kon­fron­tiert, der mich nicht nur schmerzt, wenn er gegen mich gerichtet ist, son­dern das Prinzip der Lächer­lich­machens über andere irri­tiert mich immer wieder. Beißend, bit­ter­er Hohn und Spot erscheint mir wie das Gegen­teil von Mit­ge­fühl. Und ich frage mich, wieviel Mit­ge­fühl mit sich selb­st der­jenige hat, der anderen sarkastisch gegenüber­tritt. Wohinge­gen Ironie ein gemein­sam ver­standenes Wort­spiel ist. Ich mag ein­fach nicht, wenn man sich über andere lustig macht.
Dinge, denen ich in den Wochen des All-Eins-Seins, entwöh­nt werde. Dinge aus der „nor­malen“ Welt brin­gen mich dann plöt­zlich zum Weinen. Meine Empfind­samkeit wächst in dieser Zeit.
Aber es sind gute Trä­nen, die ich zurzeit weine, voll Mit­ge­fühl für jene, die das nicht leben kon­nten. Dazu gehörten auch meine Eltern und es tut mir gut, auch diesen Teil von ihnen zu sehen, mit aller Liebe, die ich für sie empfinde.

Dankbar bin ich mit meinen allerersten men­schlichen Vor­fahren ver­bun­den, als sie die Sprache zu einem Teil des Men­sch­seins machten.

Ich bin kein Produkt

Ich bin keine Ware. Ich habe und will nichts verkaufen. Ich pro­duziere nichts.

Ich schreibe, ich fotografiere, ich singe, ich liebe und ich lache.

Ich habe nichts zu verkaufen.

Ich bin ich.

Es nichts zu verkaufen. Ich achte nicht darauf, möglichst beliebt zu sein. Auch wenn es mir sehr schw­er fällt, denn ich mag Men­schen so gern, dass es viel schw­er­er ist, authen­tisch zu bleiben, als mich in eine Gruppe einzufü­gen. Und doch scheit­ere ich daran. Das merke ich in jenen Momenten, wo Men­schen sich über, wie man sich zu ver­hal­ten, zu klei­den, zu “betra­gen” hat. Denn ich denke wed­er bei anderen noch bei mir selb­st son­der­lich lange darüber nach. Manch­mal finde ich etwas Schade, aber ich denke viel mehr darüber nach, was dies mit Men­schen macht und nicht wie unge­hörig es sei.

Oder als ich als Jugendliche tanzte, ohne darauf zu warten, ob jemand mich erwählt. 30 Jahre später fragte mich ein­er, der mich von damals kan­nte, ob ich auch mit einem Mann tanzen würde. Das alles, weil ich tanzen und nicht warten wollte. Wahrschein­lich war ich schon damals unfähig mich zu Mark­te zu tra­gen. Auch heute habe ich mich gegen das Warten entsch­ieden. Statt dessen lebe ich.

Es ist mir wichtig, andere nicht als Pro­dukt zu sehen.
Ich will andere acht­en, denn auch sie sind keine Ware für mich.
Also will ich auch nicht darüber nach­denken, wie ich mich präsen­tiere, noch will ich mich auf die eine andere Art präsen­tieren. Ich will sein, denn ich bin.

Alles, was ich habe, ist vergänglich.

Alles, was ich bin, ist imma­teriell und ich weiß nicht, ob es gestern war oder mor­gen sein wird.

Aber eines ist klar, jet­zt bin ich. 

Ps.
Warum aber schreibe ich und fotografiere ich und stelle es ins Netz?
Fre­unde haben mich gebeten, deshalb habe ich es getan. Manch­mal frage ich mich, ob es von Nutzen ist. Aber das will ich nicht beurteilen. Mir hil­ft das Schreiben und Reflek­tieren. Und über Fotos freue ich mich und vielle­icht ein ander­er auch.

Willkommen im Mittelalter — La Roque-St-Christophe

An diesem Felsen auf dem Weg von Mon­ti­gnac nach Les Ezyies lebten eben­falls immer wieder Men­schen. Doch hier ist nur ein klein­er Teil der Prähis­to­rie gewid­met. Und ob die Treppe wirk­lich steinzeitlich ist, wage ich zu bezweifeln.

Die Aus­sicht von diesem Felsen, war großar­tig. Unten der Fluss, der mit Sicher­heit das Land um ihn herum in ein feucht­es Sumpfland ver­wan­delte, aber man weit über das Land schauen kon­nte und schon früh her­an­na­hen­des Wild oder auch Feinde sehen konnte.

Doch ist beein­druck­end, wie sich die Häuser in den Felsen schmiegten. Am besten sieht man das am Mod­ell, das ich auch fotografiert habe. Neben der Mini-Zug­brücke über die man erst in das Dorf gelan­gen kon­nte, waren es die Waf­fen, die mir zu denken gaben. Der Platz war sich­er. Man kon­nte weit sehen in alle Rich­tun­gen, wo Feinde kom­men konnten.

Ist es nicht trau­rig, wie sehr unsere Geschichte von Feind­schaft, gewalt­samen Über­fällen und Über­grif­f­en, Aneig­nung frem­den Lan­des und Gutes geprägt ist? So viele Anstren­gun­gen wur­den unter­nom­men, um sich zu schützen. Was für schwere Zeit­en waren das wohl? War es wirk­lich erstrebenswert, der Steinzeit zu ent­fliehen? Statt Naturkatas­tro­phen (die es später trotz­dem gab, auch wenn es vielle­icht nicht mehr ganz so kalt wurde) und Bären, Löwen und Hyä­nen, musste man sich jet­zt mehr vor anderen Men­schen in Acht nehmen. Und es war immer der Fortschritt, der den näch­sten siegen ließ. Der, der bessere Waf­fen hat­te, kon­nte den Sieg in Anspruch nehmen.

Die furchter­re­gen­den, ange­mal­ten, laut schreien­den, die Haare zu Berg frisiert und mit Kalk gestärkt in Hor­den here­in­fal­l­en­den Kel­ten gegen die struk­turi­erten Römer, die, wie wir seit Aster­ix und Obelix wis­sen, sich zu Schild­kröte und ähn­lichem formierten.

Haben wir Men­schen nichts Besseres zu tun, als zu über­legen, wie wir über­legen wären?

Feuerstein — Laugerie-Haute

Doch es war endlich die Antwort auf eine ganz andere Frage, die ich mir schon gestellt hat­te. Wo hat­ten die den ganzen Feuer­stein, Flint, Horn­stein, Silex her? Und du fragst dich wohl, was das alles ist? Eigentlich ziem­lich das gle­iche. Wie dieser Stein ent­standen ist, wis­sen sie noch nicht genau, es ist nur klar, dass Kiesel­säure-Ablagerun­gen im Meer — wie der ganze Kalk rund­herum auch — daran beteiligt sind.

Woher kom­men die? Von Kieselschwäm­men und Kiese­lal­gen. Erstere haben ihr Skelett statt mit Cal­ci­um­car­bon­at mit Sili­ci­um­diox­id (aus Kiesel­säure) aufge­baut, zweit­ere haben ihre Zell­hüllen daraus aufge­baut. Das lässt mich ganz kurz noch mal daran denken, dass die ganzen Kalka­lpen oder die weißen Klip­pen von Dover rein organ­is­chen, das heißt aus lebendi­gen Organ­is­men, ent­standen sind. Und wir Men­schen glauben, dass wir viele sind.

Wenn du wie ich denkst und glaub­st, dass man den nur zum Feuer­ma­chen ver­wen­det, dann täuscht du dich.

Es ist DER Stein der Steinzeit, qua­si das Top­mod­ell, aus dem die meis­ten Beile und Klin­gen speziell im Jung­paläolithikum und in der Jung­steinzeit ange­fer­tigt wurden.

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Jung­paläolithikum: das ist das Ende der Alt­steinzeit und wird mit dem Erre­ichen Europas des Cro-Magnon Men­schen um 40000 eingeleitet

Jung­steinzeit: das ist jene Zeit, wo Men­schen sesshaft wur­den und mit Acker­bau und Viehzucht began­nen vor ca. 10.000 Jahren, die Häuser wur­den rechteck­ig, sie lebten in grösseren Gemein­schaften, die Unter­schiede zwis­chen den Men­schen wuch­sen, manche beka­men wertvolle Grabbeiga­ben. Das ist wohl der Beginn dessen, was wir heute vorfind­en bzw. wie wir heute leben.

Wo habe ich eigentlich ange­fan­gen? Beim Feuer­stein. Noch ein Satz um Feuer zu machen brauchte man dann noch Zun­der­schwamm, das ist der Schwamm der auf Bäu­men wächst, den ich zwar gese­hen habe, aber dass der auch zu etwas gut ist, habe ich erst im Laténe Muse­um gel­ernt. Der bren­nt recht gut und hält auch die Glut sehr lange. Auch Ötzi hat­te den mit dabei. Qua­si das Feuerzeug der Steinzeit.

© Wikipedia

Doch den Feuer­stein braucht man nicht unbe­d­ingt zum Feuer­ma­chen, das würde mit anderen Steinen. Doch beson­ders gute wur­den dur­chaus getauscht oder über weite Streck­en mitgenommen.

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In einem Buch war vom Feuer­stein­knollen als dem Schweiz­er Mess­er der Steinzeit die Rede. Es war anscheinend eine all­ge­meine Fähigkeit sich aus den Knollen passendes Werkzeug zu schla­gen. Natür­lich gab es bessere und schlechtere Knollen. Doch wis­sen wir, wie weit die Men­schen damals saison­al zogen? Natür­lich erscheinen uns 250 km heute weit. Wer würde heute frei­willig soweit gehen, außer jene, die dem Hype der let­zten Jahre fol­gend sich auf den Weg des St. Jacques begaben?

Doch wenn ich über­lege, dass damals Tun­dra vorherrschend war, man sich also nicht durch wildes Gesträuch und Wälder schla­gen musste, waren 10 km pro Tag ver­mut­lich leicht zu schaf­fen. Und in 25 Tagen wäre man 250km weit gekom­men. Wie weit waren Som­mer und Win­ter­lager voneinan­der getrennt?

Wie es aussieht sind Nean­der­taler in einem Umkreis von 10 km unter­wegs gewe­sen, so kon­nte ich im Muse­um von Les Ezyies lesen. Es hat irgen­det­was mit den Fund­stellen von Steinen zu tun, wie man den Radius berech­net hat.

Viele der Höhlen hier sind nur wenige Kilo­me­ter auseinan­der. Las­caux ist jedoch 25km von Les Ezyies ent­fer­nt, wo viele der Höhlen, die ich besuchte, zu find­en sind.

Laugerie-Haute ist ein sehr großer Abri. Und die Fundge­gen­stände sind sehr vielfältig. Deshalb ver­muten Prähis­torik­er auch, dass dieser Platz über Jahrtausende hin­weg aufge­sucht wurde, was die ver­schiede­nen Abfol­gen von Schicht­en aufzeigen. Ich kann die Ver­mu­tung, dass man sich hier traf, um gemein­sam zu feiern, Wis­sen auszu­tauschen, Part­ner zu find­en, gut nachvol­lziehen. Die Über­schwem­mungen der Vezére haben die einzel­nen Schicht­en begraben. Die Schicht­en sollen bis zu 31 Meter tief liegen. Die Funde waren der Anziehungspunkt Aus­gräber. Da damals die Grun­deigen­tümer Herr ihres Lan­des waren, waren sie auch Eigen­tümer der Funde auf ihrem Land bzw. kon­nten sie ihr Land ver­pacht­en und dann waren diejeni­gen, die etwas fan­den, die Eigen­tümer. Und die bud­del­ten und verscherbelten.

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Nicht jed­er, der grub, war inter­essiert, wann und wie dort gelebt wurde. Und so manch­er (unter anderem der Schweiz­er Otto Hauser wird hier immer wieder als rück­sicht­slos­er, sich nur bere­ich­ern wol­len­der Aus­gräber genan­nt. Er war tat­säch­lich nur an den Gegen­stän­den inter­essiert und nicht daran festzustellen, wann und woher genau der Fund stammte. Seine Meth­o­d­en waren so zweifel­haft, dass man heute nicht mehr fest­stellen kann aus welchem Zeitab­schnitt seine Funde tat­säch­lich stammten. So grub er ziem­lich hem­mungs­los Laugerie-Haute um. Er verkaufte viele Faustkeile, Klin­gen an ver­schiedene Museen nach Deutsch­land, aber auch an das British Muse­um in Lon­don. Viel Wis­sen ging dabei ver­loren. Auch wenn Hauser ein wenig Archäolo­gie studiert hat­te und sicher­lich auch Lei­den­schaft dafür entwick­elte, so war die Art und Weise sein­er Grabun­gen äußerst umstritten.

Hier habe ich nun auch mehr zu den berühmten Klin­gen des Solutréen gehört. Die hauchdün­nen Klin­gen (5–6mm), die die Form eines Lor­beerblattes haben, wur­den „rel­a­tiv kurz“ pro­duziert. Nur mal 2000 Jahre. In vie­len Museen kon­nte ich sehen, wie Faustkeile von Archäolo­gen, die sich darauf spezial­isierten, pro­duziert wur­den. Doch die Führerin hier erzählte uns von den verge­blichen Ver­suchen solch dünne Klin­gen zu erzeu­gen. Sie zer­brachen ein­fach zu leicht, auch das ist ein Grund, dass nicht mehr allzu viele ganze gefun­den wur­den. Sie waren nicht die opti­malen Spitzen für die Jagd, es waren vielle­icht viel mehr Klin­gen, die zeigen kon­nten, wie geschickt man ist und es wur­den Sta­tu­sob­jek­te, die man stolz mit sich führte.
Das zur The­o­rie, dass die Clo­vis-Kul­tur in Ameri­ka mit der Kul­tur des Solutréen ver­bun­den ist. Es gibt amerikanis­che Wis­senschaftler, die glauben, dass es eine Ein­wan­derung über den Eiss­child der let­zten Eiszeit aus Europa gab. Da ich noch ins Muse­um gehen will, behalte ich mir nun diese Frage auf. Wie wird unter­schieden zwis­chen „nor­malen“ Blattspitzen und diese ganz speziell dün­nen Blattspitzen des Solutrèen?

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Laugerie-Haute wurde als Platz der Steinzeit-Men­schen abrupt been­det, indem sich zwei riesige Felsen vom Dach des Abri lösten und den freien Platz zu einem engen, kühlen Ort macht­en. Als Platz war er trotz­dem begehrt, denn im 17. Jahrhun­dert wurde ein Haus errichtet, das heute die Fund­platze Laugerie-Haute und Laugerie-Haute Ouest tren­nt. Das Haus ist kühl und feucht durch die Nähe des Felsens, auch wenn es sehr roman­tisch aussieht, ist es heute doch nicht mehr bewohnt. Auf der gegenüber­liegen­den Seite ist nur mehr eine Ruine eines Haus­es sicht­bar. Erst jet­zt wird mir klar, dass in den Löch­ern, die man im Felsen sieht, Balken einge­zo­gen wur­den. Welche Art von Häusern oder Ställen dort waren, bleibt mir wieder mal ver­schlossen. Es zeigt aber, dass die Fel­swände bis heute her­auf Wohn­plätze waren und blieben. Das Schloss, das an ein­er solchen Fel­swand errichtet wurde, habe ich nur beim Vor­beifahren gese­hen. Es passt ger­ade nicht in meine Denkwelt.

Der östliche Fund­platz ist heute den Wis­senschaftlern vor­be­hal­ten. Der frühere Fest­platz ist ver­schwun­den. Zu sehen sind heute die ver­schiede­nen Stufen der Benutzung dieses Platzes. Inter­es­sant war es trotz­dem, denn ich höre gerne Geschicht­en zu und ich hat­te eine englis­che Führung, die mir neue Anre­gun­gen lieferte. Da ich bis­lang mehr auf das Schauen angewiesen war, und ich mir den Rest erlesen habe, war dies ein beson­der­er Genuss.

Der moderne Mensch ist laut

Als Allein­reisende bin ich fast über­all den Stim­men ander­er Men­schen ausgesetzt.

Vor­let­ztes Jahr ist mir das um ersten Mal im vollen Umfang bewusst gewor­den. Ruhig war es, wenn ich um 7 Uhr mor­gens zu einem Vulkan — eigentlich ein Aschenkegel, cin­der cone — wan­derte. Da in dieser Umge­bung auch wenig wuchs, waren nicht viele Vögel zu hören. Es kann auch sein, dass mir das Sin­gen der Vögel lieber ist, als das andauernde Gerede.

Doch ein­mal liebte ich es. Als ich mit meinem Zelt umrun­det von lauter Fam­i­lien zu liegen kam, und als es dunkel wurde, hörte ich aus jedem Eck einen Vater eine Gute-Nacht-Geschichte vorlesen.

Welche Geschicht­en es waren?
Das weiß ich nicht, das kon­nte ich nicht hören.

Woher ich weiß, dass es Gute-Nacht-Geschicht­en waren? Der Ton­fall, die Melodie der Stimme, die San­ftheit, die die kleinen Zuhör­er auf den kom­menden Schlaf vor­bere­it­ete. Und auch ich schlief gut.

Tja, und was ist, wenn man keine Stimme hört. Dann hört man ein Auto. Sicher­lich kann ich weit weg gehen, aber da ich meist alleine unter­wegs bin, ver­suche ich, nicht ver­loren zu gehen. Also suche ich gemäßigte Ein­samkeit, so dass ich in der Not gefun­den werde, also in Menschennähe.

Ich weiß noch, wie verza­ubert ich war, als ich auf meinen Haus­berg stieg und plöt­zlich war es ruhig.

Aber was rede ich so gescheit daher, ich bin dich selb­st eine, die um sich herum Lär­mquellen schafft. Denn zu einem Teil beun­ruhigt mich absolute Ruhe.

Aber hier gibt es Enten und Frösche, die am Abend ein schauder­haftes Konz­ert geben. Die Stim­men der kreis­chen­den Kinder vom Pool sind weit weg und wenn sie um mich herum Ball spie­len, freu ich mich über ihre Begeis­terung. Den anderen Teil bilden Pen­sion­is­ten, viele mit Hun­den, und die hört man aufgeregt hin­ter ihrem Hund her schimpfend, wenn der nicht Franzö­sisch ver­ste­hen will. Wie der Mini­hund mein­er Nach­barin, der mein Apparte­ment auch beset­zen will, und sie im Nachthemd ver­sucht, ihn von mein­er Ter­rasse zu bringen.
Dieser Lärm stört mich nicht.

Ich merke nur, in Men­schen­nähe ist es laut.

So hätte wed­er Nean­der­taler noch Cro-Magnon-Men­sch über­leben kön­nen. Aber vielle­icht wird’s am Lager­feuer genau­so ein Stim­mengewirr gegeben haben wie bei uns. Nur wie laut wer­den 15 bis 20 Homo gewe­sen sein?

Das führt mich zu dem großen Rät­sel, wann wir denn zu quatschen began­nen. Der Nean­der­taler, mit dem wir einen gemein­samen Vor­fahren teilen, besitzt eben­falls das FOX­P2-Gen, ein für unsere Sprech­fähigkeit wichtiges Gen (neben anderen). Ihr Kehlkopf war noch anders gebaut und der unsere war anscheinend auch nicht von Anfang an reif. Mir war nicht bewusst, dass Sprechen nur durch eine kom­plexe Motorik möglich ist. Sprech- und Sprach­störun­gen gehen damit ein­her. Eine Störung dieses Gens lässt die Betrof­fe­nen auch bei non­ver­balen Intel­li­gen­ztests schlechter abschnei­den. Tja, da soll noch ein­er sagen, quatsch nicht so viel.

Man ver­mutet auch, dass die kom­plex­en Anforderun­gen, die der mod­erne Men­sch in den ver­gan­genen 70000 Jahren bewälti­gen musste, die Sprache förderten. Denn die Umwelt, mit der es der mod­erne Men­sch zu tun hat­te, änderte sich ständig. Warm und Kaltzeit­en forderten ständi­ge Anpas­sun­gen. Die Sprache kön­nte da geholfen haben.

P.s. Bevor wir nun über­schnap­pen, Vögel besitzen dieses Gen auch, son­st kön­nten sie wohl nicht so schön sin­gen. Allerd­ings soll unsere Gen­vari­ante tat­säch­lich so alt sein wie der mod­erne Men­sch zwis­chen 100 und 200.000 Jahre.

Lascaux II

Fotografieren ver­boten!
Auch in der Nach­bil­dung von Lascaux.
Nach der Ent­deck­ung dieser Höh­le sind bis zu 1 Mil­lion Men­schen jährlich dieses Weltkul­turerbe besuchen gekom­men, bis Algen (grüne Krankheit, durch erhöhte Luft­feuchtigkeit) und Kristalle (weiße Krankheit, durch CO2 aus der Atem­luft) schon eini­gen Schaden anrichteten. 1963 wurde sie geschlossen. Das ist alles was man als Tourist noch zu sehen bekommt.

Ich bin also in die Nach­bil­dung, die 1983 eröffnet wurde, gegan­gen. Und ich hab mich vorge­drängt, wir waren so viele Leute, dass wir den Raum fast aus­füll­ten. Es gehen halt nicht so viele hinein, da füllen schon schnell mal ein paar Leute einen Raum aus. Und da die Fläche am Boden nicht so groß ist und sich zu den Bildern weit­et, ist der Raum mit 25–30 Leuten voll.

Es war ver­dammt gut, dass ich ganz vorne war. So hat­te ich für einige wenige Sekun­den vielle­icht eine Minute einen Blick auf den Raum, ohne von Men­schen abge­lenkt zu sein.

Mir war als ob die Tiere tanzten, alle liefen zusam­men herum. Wie muss das erst gewe­sen sein, als nicht monot­on leuchteten elek­trische Lam­p­en son­dern flack­ernde Lichter, in denen Fett und Wachold­erzweige bran­nten. Man hat die Asche von Wachold­er in ein­er der Lam­p­en gefun­den. Für einen kurzen Moment kon­nte ich fühlen, wie gewaltig es gewirkt haben muss. Ich kon­nte das Tram­peln der Tiere hören. Und auch den Gesang der Men­schen, die mit den Tieren feierten, ihre Trom­meln, die im Rhyth­mus der Tiere geschla­gen wurden.

Dann begann der Guide zu reden und das Bild, der um mich laufend­en, tanzen­den Tiere begann zu verschwinden.

Statt die in Bewe­gung — in mein­er Vorstel­lung — von flack­ern­den Läm­pchen Schat­ten wer­fend­en Stiere, Pfer­den und Ren­tieren zu sehen, sah ich nur mehr die einzel­nen Abbil­dun­gen. Davor waren es Her­den, die sich drei­di­men­sion­al im Raum bewegten.

Nun sah ich die 4 riesi­gen Stiere, das Ein­horn, die Pferde und die hüb­schen Ren­tiere. Aber sie tanzten nicht mehr. Fällt es uns mod­er­nen Men­schen gar nicht auf, wie wir alles zer­legen und zerteilen. In allen Beschrei­bun­gen wer­den nur mehr einzeln die Tiere aufge­führt, aber vielle­icht waren sie zusam­men dort.

Das war mehr, als ich mir erwartete. Kurz sah ich sie alle miteinan­der tanzen und singen.

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Ps. Einen Tag später besuchte ich andere Höhlen. Es waren schmale enge Gänge, sie kon­nten dieses Gefühl der Bewe­gung nicht aufnehmen. Aber davon später.

Die Bilder, die ich von hier und anderen Höhlen abbilde, habe ich aus einem teuren Buch fotografiert, aber ich ver­rate nicht welch­es, mir ist klar, das unter­liegt dem Copy­right. Aber ich will doch hier meine Erin­nerun­gen auch fes­thal­ten. Und innen durfte ich nicht fotografieren, also irgen­dein Ver­brechen musste ich bege­hen. So gibt es eine Abbil­dung pro Höh­le, die ich mir erlaube.

Eiszeiten, Flechten, Moose und andere Dinge

Bevor mich die Höhlen des Perig­ord Noir ganz in Beschlag nehmen, möchte ich nochmals zu den Gedanken zurück­kehren, die mich begleit­eten als ich durch die Alpen fuhr, den Eiszeiten.

Der Neuen­burg­er See ist ein solch­es Überbleib­sel, näm­lich ein Teil ein­er der Gletscherzun­gen des Rhône-Gletsch­ers, der der größte alpine Gletsch­er der let­zten Eiszeit war. Eine Gletscherzunge erre­ichte Lyon, die andere ging bis nach Aarau ins Schweiz­er Mittelland.

Hier muss ich ein­mal beto­nen, wie sehr ich diesen Schweiz­er Prag­ma­tismus schätze.
Das Land, das in der Mitte liegt, heißt Mit­tel­land, die let­zte Eiszeit nen­nen sie nicht Würm, son­dern let­zte Eiszeit, selb­st die Riss-Eiszeit bekommt keinen Namen son­dern wird vor­let­zte genan­nt. Warum ich das erwähne? Tja, auf der Suche nach Infor­ma­tio­nen über die Eiszeit (das Wis­sen darüber hat mich die ver­gan­genen 40 Jahre ein­fach ver­lassen) habe ich erstaunliche Dinge herausgefunden.

Oder wüsstest du, dass die über­all anders genan­nt wer­den. Nehmen wir mal die let­zte Eiszeit. In der Wikipedia fand ich folgendes:
Im Alpen­raum wird sie als Würm‑, in Nord- und Mit­teleu­ropa als Weichsel‑, in Osteu­ropa als Waldai‑, in Sibirien als Zyryanka‑, auf den Britis­chen Inseln als Deven­sian, in Irland als Midlandian‑, in Nor­dameri­ka als Fraser‑, Pinedale‑, Wis­con­si­nan- oder Wisconsin‑, in Venezuela als Mérida‑, in Chile als Llan­qui­hue- und in Neusee­land als Oti­ra-Kaltzeit bezeichnet. 
Und irgend­wo fand ich dann auch noch die let­zte Eiszeit der Schweiz­er. Geolo­gen sind ein selt­sames Volk und ob sie danach streben, ver­standen zu wer­den, glaube ich nicht recht.

Egal, diese Zeit begann ‑über­all ein wenig anders, um mich weit­er zu ver­wirren- vor etwa 115.000 bis 110.000 Jahren und endete vor etwa 12.500 bis 10.000 Jahren. Damit sollte es gewe­sen sein? Nichts da! Es war zwar kein Wech­sel­bad der Gefüh­le, aber sicher­lich eines des Tem­per­a­turen. Es war ein ständi­ges hin und her. Wenn es da Wis­senschaftler gibt, die den men­schlichen Fortschritt mit diesen sich ständig änderten Bedin­gun­gen in Zusam­men­hang brin­gen, dürften sinnliche Unrecht haben. Not macht erfind­erisch, heißt es doch so schön. Mal sehen, wie erfind­erisch wir noch werden.

Was hat das nun wieder mit mein­er Reise zu tun?

Es ist die Zeit, als die Nean­der­taler hier lebten und die ersten mod­er­nen Men­schen vor 40.000 Jahren Europa betrat­en. Um diese Zeit, wenn nicht früher, betrat­en die ersten Aus­tralier ihr neues Land. Hier habe ich so viel ver­schiedenes gele­sen, dass ich nicht recht weiß, was ich glauben soll. Ich fürchte, dass wir Europäer es nicht aushal­ten, wenn andere früher einen anderen Kon­ti­nent ent­deck­ten. Mit Lumi­neszenzmeth­o­d­en sind aus­tralis­che Wis­senschaftler heute bei 60.000 Jahren ange­langt. Während wir Europäer uns noch nicht aus Afri­ka hinauswagten.

Ich wollte mir vorstellen, wie Europa damals aussah.

Die Land­schaft war ver­mut­lich oft von Tun­dra und Steppe geprägt, auch einzelne Waldin­seln soll es gegeben haben.

Hier haben wir also Flecht­en und Moose. So unschein­bar diese Lebens­for­men sind, so wichtig sind sie für unsere Erde. Denn sie waren wesentlich daran beteiligt, die unsere Erde zu dem zu machen, was wir heute als so selb­stver­ständlich nehmen. Flecht­en sind Lebens­ge­mein­schaften zwis­chen Pilzen und einem oder mehreren Pho­to­syn­these betreiben­den Part­nern. Diese Pho­to­bion­ten, auch Phy­to­bion­ten genan­nt, sind Grü­nal­gen (Chloro­phy­ta) oder Cyanobak­te­rien. Sie eroberten das steinige Land und erzeugten als erstes Erde. Erde, die die Pflanzen zum Leben braucht­en. An ein­er stelle stand, dass sie vielle­icht schon vor 800 Mil­lio­nen Jahren an Land gin­gen. Das sind 200 Mil­lio­nen Jahre bevor mehrzel­lige Lebe­we­sen, deren Fos­silien wir gefun­den haben, ent­standen. (Für jene, die es genau wis­sen wollen, ich spreche von der Edi­acara-Fau­na). Damit beteiligten auch sie sich an der Sauer­stoff­pro­duk­tion, denn durch den Sauer­stoff wird erst höheres Leben möglich werden.

Und Moose? Wenn man die kleinen Stiele betra­chtet, ahnt man nicht, was daraus wurde. Sie waren die ersten For­men, die nach oben strebten. Später soll­ten daraus Bäume werden.

Nach­wievor sind es diese Flecht­en und Moose, die als erstes Land erobern, das nur aus Gestein beste­ht. Das wird auch so an jenen Stellen sein, wo Gletsch­er sich zurückziehen.

Wie es hier im Perig­ord Noir aus­sah, weiß ich nicht. Ein­er der Guides meinte, das die Land­schaft hier eben­so bewaldet war wie heute. Da schlägt bei mir der alpine Men­sch durch. Als ich durch die Gegend fuhr, hat­te ich keinen Ori­en­tierungssinn. Zugegeben­er Maßen war es bewölkt und die Sonne kon­nte mir bei der Ori­en­tierung auch nicht weit­er helfen. Wie der Cro Mang­no Men­sch die Höhlen wiederfind­en kon­nten, die sie zum Teil bewohn­ten, zum Teil nur für die Zer­e­monien auf­sucht­en, um auf Wän­den Malereien, Gravuren (Pet­ro­glyphen), und Skulp­turen anzufer­ti­gen, ist mir nicht ganz klar. Vielle­icht halfen ihnen die Flüsse. Beim Fahren erschienen mir die Wälder wie eine ein­heitliche riesige Landschaft.