All-Eins-Sein

All-Eins-Sein macht mich ver­let­zlich oder sollte ich bess­er sagen, ich lege die Rüs­tung ab und spüre deshalb mehr?

So sehr ich es liebe allein unter­wegs zu sein, so sehr schmerzt es auch , mich von der
nor­malen Welt, mich dem nor­malen Umgang der Men­schen zu entfernen.

Es ist auch die Zeit, sich selb­st zu beobacht­en, auch wenn ich nicht alles ver­ste­he. Es ist eine gewisse Unruhe, Ner­vosität in mir, ein Acht­sam sein, als ob etwas passieren kön­nte. Vielle­icht so wie vor 20.000 Jahren die Men­schen immer acht­sam sein mussten. Warum diese Unruhe da ist, kann ich nicht sagen, ich kann sie nur beobachten.

Doch wenn ein Vater, der vor mir in die Höh­le geht und ich den Abschluss unser­er kleinen Gruppe bilde, sich umdreht und schaut, ob ich da bin und alles in Ord­nung ist, berührt es mich. Bin ich es so wenig gewöh­nt, dass man auf mich Rück­sicht nimmt? Wenn ich beobachte, wie san­ft die Eltern mit ihren herum­to­ben­den kleinen Mäd­chen umge­hen, huscht ein Lächeln über meinen Mund. Das sind Momente, die ich genieße. Und selb­st die ruhige Art der Fran­zosen Auto zu fahren, lässt mein Herz tanzen. Sie lassen sich Zeit, nie über­holte jemand unbe­dacht, nie fühlte ich mich gehet­zt, in Gegen­satz zu Öster­re­ich, wo ich es gewöh­nt bin, wenn ich auf Land­straßen unter­wegs bin, gejagt zu wer­den. Alle haben es da eilig. Nur wo wollen sie hin?

Was ist die Ursache, rau miteinan­der umzuge­hen? Ich habe dann immer Angst, dass ich eben­so reagiere. Und das ist das andere beim Allein­sein, man hat viel Zeit nachzu­denken. Reflek­tieren, wie ich etwas gemacht habe, warum ich etwas gemacht habe, aber auch darüber wie manch­es auf mein Gegenüber wirkt. Eine san­fte Berührung wird dann zum aggres­siv­en Über­griff. Eine wieder­holte Bitte wird zum auf­dringlichen Aushorchen. Ich werde trau­rig darüber, dass es sel­ten vorkam, dass wir uns darüber tat­säch­lich ver­ständigten, da wird dann über den Aus­lös­er gesprochen, aber nicht über die Ursache und den Hin­ter­grund. Im Gegen­teil, es wurde inter­pretiert und nicht kommuniziert.

Zynisch, spöt­tisch, arro­gant, über­he­blich und auch mal aggres­siv sind die Reak­tio­nen. Und es kam vor, dass ich auch so wurde. Keine Eigen­schaften, die ich haben möchte. Und ich bin nicht stolz darauf.

Dies berührt mich ganz beson­ders, nach­dem ich so viel über die ersten Men­schen gele­sen und gehört und gese­hen habe, dass es die Fähigkeit die Sprache zur Kom­mu­nika­tion einzuset­zen, uns zu Men­schen machte. Nicht das Werkzeug, nicht der aufrechte Gang, nicht das Feuer, es war die Sprache. Und dann ste­he ich da und muss erken­nen, wie sprach­los wir so oft sind.
Und ich weiß, wovon ich spreche, ich selb­st war solange sprach­los. Umso ver­wirrter war und bin ich, als ich mich bemühte, diesen Fehler nicht mehr zu wieder­holen, und ich mit Schweigen kon­fron­tiert wurde. Erstaunt stellte ich fest, dass ich nicht allein war mit mein­er Unfähigkeit zu reden. Aber ich wurde auch mit Sarkas­mus kon­fron­tiert, der mich nicht nur schmerzt, wenn er gegen mich gerichtet ist, son­dern das Prinzip der Lächer­lich­machens über andere irri­tiert mich immer wieder. Beißend, bit­ter­er Hohn und Spot erscheint mir wie das Gegen­teil von Mit­ge­fühl. Und ich frage mich, wieviel Mit­ge­fühl mit sich selb­st der­jenige hat, der anderen sarkastisch gegenüber­tritt. Wohinge­gen Ironie ein gemein­sam ver­standenes Wort­spiel ist. Ich mag ein­fach nicht, wenn man sich über andere lustig macht.
Dinge, denen ich in den Wochen des All-Eins-Seins, entwöh­nt werde. Dinge aus der „nor­malen“ Welt brin­gen mich dann plöt­zlich zum Weinen. Meine Empfind­samkeit wächst in dieser Zeit.
Aber es sind gute Trä­nen, die ich zurzeit weine, voll Mit­ge­fühl für jene, die das nicht leben kon­nten. Dazu gehörten auch meine Eltern und es tut mir gut, auch diesen Teil von ihnen zu sehen, mit aller Liebe, die ich für sie empfinde.

Dankbar bin ich mit meinen allerersten men­schlichen Vor­fahren ver­bun­den, als sie die Sprache zu einem Teil des Men­sch­seins machten.

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