Wir-Sager

Krankenschwesternplural” oder der „Lieber Onkel Doktor hat auch Bauchweh“-Plural hat jeder schon mal gehört, ich kenne aber niemand, dem schlecht wurde, weil er mit mir sprach, zumindest hat es keiner gesagt oder hat sich übergeben müssen. Denn „uns geht es nicht besser“, noch „fragen wir uns, wie es uns heute so geht.“ Wie geht’s dir, wie geht’s mir, das ist die korrekte Frage. Vielleicht soll es ja nur ein vertrautes Miteinander erzeugen, aber ehrlich gesagt, stehe ich drauf, im Allgemeinen ich zu sein. Wir dürfen gerne miteinander essen gehen, tanzen und singen.

Oder jene, die mir etwas erzählen und mir auf die Schulter klopfen oder wenn jemand von „Wir Armen“ – was auch immer – spricht. Ein Ausdruck von Bescheidenheit soll es sein? Nicht doch. Wenn mir einer erzählt, was ich denke, wie ich reagiere, wie ich fühle, wie ich handele, dann weiß er zuviel, aber nichts von mir. Dies ist wohl eher der überhebliche, übermächtige „Pluralis prae potens“. Manche gewöhnen sich diese Ausdrucksweise so an, dass sie nicht mehr erkennen, wie aufdringlich sie sind. Ich spreche von mir, von meiner Meinung, von meinen Entscheidungen, meinem eigenem Verstand und den verwende ich. Anstatt einzuladen selbst zu denken, müssen wir verstehen, wir überlegen, wir klar erkennen. Im Gleichschritt marsch!

Anscheinend werde ich mit dem Alter pubertierender, kindischer und vielleicht vergesse ich irgendwann alles. Aber vorerst streike ich. Ich nehme Einladungen zum Denken an, höre Überlegungen zu, genieße es abzuwägen und eine Meinung zu haben.  Jeder darf mir erzählen, zu welchen Schlüssen er gekommen ist, aber wir sind nicht prinzipiell einer Meinung. Prinzipiell sind wir erst mal zwei und dann werden wir sehen. Überzeugen Sie mich mal! Und glauben Sie mir, nur weil ich nicht verstehe, was Sie sagen, halte ich mich nicht für dumm. Und Sie haben etwas Essentielles nicht verstanden. Oder haben doch wir etwas nicht verstanden?

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